Die Reisetagebücher des
Paolo Santonino
1485 - 1487

Herr Jesus Christus.
Reisetagebuch, herausgegeben von Paolo Santonino, dem Sekretäre des ehw. Herrn Marco Barbo, Kardinals von S. Marco und Patriarchen von Aquileia zur Zeit, als der ehw. Vater Herr Pietro, Bischof von Caorle, ins deutsche Gebiet gereist ist, um bei den Untertanen der Kirche von Aquileia die bischöflichen Funktionen auszuüben.

Es handelt sich dabei um ein Reisetagebuch in drei Abschnitten. Jeder Abschnitt enthält eine Reise und zwar der erste eine des Jahres 1485, der zweite eine von 1486, der dritte eine des nächsten Jahres 1487. Das Reiseziel ist erst Osttirol und das Gailtal, dann das Rosental und Villach, schließlich die Provinz Saunien d.i. die alte Untersteiermark zwischen Drau und Sotla. Die Zeit - es sind die letzten Jahre unmittelbar vor der Entdeckung Amerikas - ist interessant. Zwar sind die Türkeneinfälle vorüber, noch dauert aber die Fehde zwischen dem Kaiser und dem Ungarnkönig Matthias Corvinus. Unsicherheit herrscht im Lande und allenthalben sind die Spuren der Zerstörungswut zu sehen. Die Kirchen haben kostbare Stücke ihres Besitzes eingebüßt., die Altäre waren um der Reliquienbehälter willen aufgebrochen worden. Kirchen und Altäre durch Weihen neu zu begründen, gehört zu den Rechten des Bischof. Der zuständige Oberhirt war damals der Patriarch von Aquileia; denn noch immer war die karolingische Teilung des Jahres 811 wirksam, welche das Land südlich der Drau Aquileia zugesprochen hatte, während der Norden an Salzburg fiel.

Es ist also der Patriarch, welcher da einzugreifen hat, in jenen Jahren der Kardinal Marco Barbo (1471-1491), beziehungsweise, da er im Interesse des päpstlichen Hofes ständig außerhalb seines Sprengels tätig war, sein Stellvertreter Buzio de Palmulis. Dieser bevollmächtigte den Bischof von Caorle, der kleinen Lagunenstadt, Pietro Carlo und gab ihm als Reisebegleiter und Sachverständigen Paolo Santonino mit, den Sekretär der Patriachatskanzlei. Zweck der Reise war aber außer Kirchen und Altäre zu weihen, auch das Spenden der Firmnung und die Überprüfung des Klerus. Solche Visitationsreisen haben in längeren Abständen stets stattgefunden, ihre Protokolle sind eine wichtige Geschichtsquelle, aber nur für den Fachmann.

Ganz anders steht es mit den Tagebüchern des Paolo Santonino. Nur ein Teil passt in den offiziellen Bericht, der für die Akten der Patriarchatskanzlei bestimmt war, das meiste jedoch ist nichtamtlich und von Paolo für die Öffentlichkeit geschrieben worden. Das Schicksal hat es aber so gefügt, daß die Tagebücher weder handschriftlich verbreitet noch je gedruckt worden sind. Nur ein einziges Exemplar ist seit 1549 in der vatikanischen Bibliothek, der Codex Latinus 3795.

Aus dem Lateinischen übertragen von Rudolf Egger
Verlag Ferd. Kleinmayr, Klagenfurt, 1947 ISBN 3-901758-02-X, Reprint Galerie Magnet, A-9100 Völkermarkt